virtuelle agile Teamarbeit
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5 Erfolgs­tipps für die virtu­elle agile Team­ar­beit

In diesem Artikel beschreibe ich die viel­fäl­tigen, prak­ti­schen Erfah­rungen und Tipps, die wir in den letzten 2 Jahren mit virtu­eller Zusam­men­ar­beit agiler Teams gesam­melt haben. Ich schreibe diesen Artikel Anfang 2022, nachdem fast 2 Jahre Corona-Pandemie, Home­of­fice und endlose Online-Meetings hinter uns liegen. Ich blicke zurück auf viel­fäl­tige Erfah­rungen, die wir zusammen mit unseren Kunden in dieser Zeit im Rahmen agiler Trans­for­ma­ti­ons­pro­jekte gemeinsam gemacht haben. Das Fazit fällt deut­lich posi­tiver aus, als ich am Anfang der Pandemie zunächst ange­nommen hatte. Es hat sich gezeigt, dass virtu­elle agile Team­ar­beit die Erwar­tungen bei Weitem über­treffen. Die ursprüng­li­chen Befürch­tungen haben sich nur teil­weise bestä­tigt und wahr­ge­nom­mene Hinder­nisse konnten oft über­wunden oder kompen­siert werden.

Eine zunächst viel­fach gehörte Befürch­tung war, dass die Qualität der persön­li­chen Bezie­hung und des Zusam­men­halts im virtu­ellen Team sinken und damit die Kultur der Zusam­men­ar­beit beein­träch­tigen könnte. Tatsäch­lich haben wir das zunächst auch so erlebt. Sowohl tech­ni­sche als auch zwischen­mensch­liche Hürden erschwerten die virtu­elle Zusam­men­ar­beit deut­lich. Neue Kommu­ni­ka­ti­ons­for­mate und geeig­nete Platt­formen erlaubten es jedoch, sowohl die Arbeits­pro­zesse online effi­zient umzu­setzen als auch virtu­elle Nähe und Wärme entstehen zu lassen. Selbst heraus­for­dernde grup­pen­dy­na­mi­sche Prozesse und persön­liche Krisen konnten gemein­samen erfolgreich bewäl­tigt werden. Ich möchte Ihnen daher mit diesem Artikel Mut machen und mit 5 Tipps Möglich­keiten aufzeigen, wie die virtu­elle Zusam­men­ar­beit – gerade auch in agilen Teams – auf ein neues Niveau gehoben werden und zu einem leich­teren, erfolg­rei­chen und moti­vie­renden Mitein­ander beitragen kann.

Agile Teams haben beste Voraus­se­zungen für die virtu­elle Team­ar­beit

Die Prin­zi­pien agiler Zusam­men­ar­beit machen es gerade agilen Teams beson­ders einfach, ihre Zusam­men­ar­beit ins Virtu­elle zu verla­gern. Einige der agilen Kern­prin­zi­pien, die virtu­elle Kolla­bo­ra­tion unter­stützen:

  • Die voll­kom­mene Trans­pa­renz hinsicht­lich der Aufgaben (die im gemein­samen „Backlog“ geführt werden), der Verant­wort­lich­keiten im Team, der Abhän­gig­keiten und des Fort­schritts trägt maßgeb­lich zur reibungs­losen Zusam­men­ar­beit bei und kann virtuell über geeig­nete Platt­formen (z.B. virtu­elle Kanban-Boards) sehr gut und aktuell herge­stellt werden. Somit ist auch für alle Betei­ligten der aktu­elle Fort­schritt jeweils nach­voll­ziehbar.
  • Dank regel­mä­ßiger, nieder­schwel­liger Kommu­ni­ka­tion (z.B. online im Daily-Stand-Up) werden Schwie­rig­keiten schnell und offen kommu­ni­ziert, Unter­stüt­zung ange­boten, Lösungen erar­beitet und umge­setzt.
  • Die eher kleinen und über­schau­baren Einzel­auf­gaben (Stunden bzw. ein bis zwei Tage) sorgen dafür, dass sehr schnell sichtbar wird, wenn es irgendwo klemmt. Mitar­beiter im Home­of­fice erfahren online schnell Unter­stüt­zung und werden so nicht abge­hängt.
  • Die Eigen­ver­ant­wor­tung für die über­nom­menen Aufgaben und die Trans­pa­renz des Fort­schritts moti­vieren Team­mit­glieder, auch im Home­of­fice enga­giert mitzu­ar­beiten.
  • Nicht zuletzt ermög­li­chen das wech­sel­sei­tige Vertrauen und die Offen­heit zwischen Führung und Team­mit­glie­dern, auch auf Distanz zusam­men­zu­ar­beiten, ohne dass eine indi­vi­du­elle Leis­tungs­kon­trolle erfor­der­lich ist. Damit haben agile Teams beste Voraus­set­zungen, auch virtuell erfolgreich zusammen zu arbeiten.

Beim Über­gang invir­tu­elle agile Team­rbeit muss das Team einer­seits orga­ni­sa­to­ri­sche Aspekte meis­tern (z.B. gemein­same Kommu­ni­ka­tions- und Arbeits­pro­zesse auf geeig­neten Platt­formen abbilden) sowie ande­rer­seits die Kultur der Team­zu­sam­men­ar­beit bewusst berück­sich­tigen und entwi­ckeln. Viel­fach begegne ich noch immer dem Miss­ver­ständnis, dass agile Arbeit ledig­lich eine neue Methode sei. Eine neue Kultur der selbst­or­ga­ni­sierten Zusam­men­ar­beit auf Augen­höhe ist jedoch zwin­gende Voraus­set­zung für den Erfolg. Wenn also ein Team die agilen Prin­zi­pien, als Ausdruck dieser Kultur, bereits lebt, dann ist der Über­gang in die virtu­elle Kolla­bo­ra­tion wesent­lich leichter als für ein tradi­tio­nelles Team.

Tipp 1: Die Bezie­hungs­ebene – Voraus­set­zung und Erfolg­faktor für die virtu­elle agile Team­ar­beit

Gerade in agilen Teams, in denen co-kreativ inno­va­tive Lösungen erar­beitet werden, spielt die Bezie­hung der Team­mit­glieder eine beson­ders große Rolle. Es geht ja darum, mit Offen­heit und dem Mut, Neues zu erproben, gege­be­nen­falls dabei auch zu „schei­tern“ und für die nächsten Schritte (Itera­tionen) daraus zu lernen. Dazu braucht es einen geschützten angst­freien Raum, der durch eine solide Vertrau­ens­basis getragen wird. Der Über­gang in die virtu­elle Kolla­bo­ra­tion ändert nichts an dieser Bezie­hungs­re­le­vanz. Als Heraus­for­de­rung kommt aller­dings hinzu, dass uns die erlernten Verhal­tens­muster der Meta­kom­mu­ni­ka­tion – insbe­son­dere unsere Körper­sprache – hier nur einge­schränkt zur Verfü­gung stehen oder sie nicht in der gewohnten Weise wirken. Beispiels­weise erlebte ich einen Konflikt in einem Team, in dem es um eine unter­schied­liche Einschät­zung der Ursache eines Problems mit wech­sel­sei­tiger, nicht ausge­spro­chener Schuld­zu­wei­sung ging. In Präsenz wäre es viel leichter gewesen, wahr­zu­nehmen, dass zwischen zwei Teil­neh­menden die „Funken flogen“. In jenem Online-Meeting war es jedoch für den Projekt­leiter zunächst nicht wahr­nehmbar, dass sich ihre fins­teren Gesichts­aus­drücke wech­sel­seitig bedingten, da die Teil­neh­menden sich ja nicht gegen­seitig ansahen, sondern immer nur in ihre jewei­lige Kamera blickten. Erst auf die Zurück­hal­tung in der Diskus­sion ange­spro­chen, wurde der Konflikt sichtbar und konnte schließ­lich gelöst werden.

Die Einschrän­kungen des Mediums machen es oft schwer, die non-verbalen Signale wahr­zu­nehmen und zu inter­pre­tieren. Meiner Erfah­rung nach ist es daher hilf­reich für die virtu­elle agile Team­ar­beit, wenn wir den Teil­neh­menden zusätz­liche Möglich­keiten bieten, auf er Meta­ebene Feed­back zu geben, das dann in den Grup­pen­pro­zess einbe­zogen werden kann, zum Beispiel:

  • kurzes, stich­wort­ar­tiges Feed­back im Chat, z.B. „stimme zu“, „Diskus­si­ons­be­darf“ oder „Frage“, was dann in der Diskus­sion verbal aufge­griffen wird;
  • Emojis oder andere Symbole, um die eigene Befind­lich­keit zu teilen, wie bspw. 👍👎💖⚡❓✅😊…
  • Feed­back am virtu­ellen White­board, z.B. ein „Stim­mungs­ba­ro­meter“ des Teams, das jeder­zeit dyna­misch ange­passt werden kann,
  • gemeinsam verein­barte Hand­zei­chen; diese haben den Vorteil, dass sie auch im Video sichtbar sind, ohne andere zu unter­bre­chen.

Ein weiteres gelun­genes Beispiel sind die Diskus­si­ons­hand­zei­chen aus “Agile Organisations­entwicklung”, Vahlen Verlag 2019 von Bernd Oeste­reich und Claudia Schröder (wenn Sie auf das Bild klicken, sehen Sie es in Origi­nal­größe)
Diskussionshandzeichen

CC-License BY 4.0, Source: B. Oeste­reich, C. Schröder: „Werk­statt für kolle­giale Führung, Diskus­si­ons­hand­zei­chen: https://kollegiale-fuehrung.de/material/

Eine wich­tige Voraus­set­zung dafür, dass Meta­kom­mu­ni­ka­tion gelingt, ist die vorhe­rige gemein­same Verein­ba­rung, dass und wie sie aktiv genutzt werden soll. Nur wenn etwaige Signale auch aufge­griffen und gemeinsam offen und konstruktiv thema­ti­siert werden, ist eine nach­hal­tige Verbes­se­rung zu erwarten.

Die Meta­ebene aktiv mit einzu­be­ziehen, gelingt deut­lich besser, wenn eine Person die Mode­ra­ti­ons­rolle über­nimmt. Deren Aufgabe ist es, den Grup­pen­pro­zess zu beob­achten und unter­stüt­zend einzu­greifen. Dazu gehört auch, etwaige Signale wahr­zu­nehmen und in geeig­neter Form zu thema­ti­sieren. Ich erlebe leider immer wieder, dass die Ausübung der Mode­ra­ti­ons­rolle nicht verein­bart oder nicht aktiv ausge­füllt wird. Auch fehlen oft die erfor­der­liche Kompe­tenz und Erfah­rung. Damit geht jedoch das Feed­back auf der Meta­ebene weit­ge­hend verloren, da die anderen Teil­neh­menden inhalt­lich auf der Sach­ebene enga­giert sind.

Star­ters – allem Anfang kann ein Zauber inne­wohnen

Ein klares Signal, dass wir bewusst die Bezie­hungs­ebene in unsere Diskus­sion mit einbe­ziehen wollen, können wir gleich am Anfang unseres Meetings senden. Wenn wir uns, statt uns gleich auf inhalt­liche Aspekte des Meetings zu konzen­trieren, erst einmal Zeit dafür nehmen, von unseren Kollegen zu erfahren, wie es ihnen gerade geht, was sie momentan bewegt und wie sie grund­sätz­lich zum Thema des heutigen Meetings stehen, bringen wir damit zum Ausdruck, dass uns das Gegen­über als Mensch wichtig ist. Wir stärken damit die Bezie­hung unter­ein­ander und nehmen gleich­zeitig am inneren Erleben der anderen Anteil.

Ganz wichtig ist aller­dings, dass diese „Blitz­licht­runde“ kein formelles, sinn­ent­leertes Ritual wird, sondern tatsäch­lich wech­sel­seitig das Inter­esse am anderen im Vorder­grund steht. Wenn das glaub­haft erfahren wird,
ist für dieses Meeting eine gute Basis für das Gelingen gelegt worden. Es gibt viele schöne Beispiele von Warm-ups, die leicht online adap­tiert werden können, z.B. Wert­schät­zungs­kreis, Hashtag, „Ich bringe mit“, „Alter Ego“, „When I Grow Old“ oder „Artists Only“ [1] sowie weitere ausdrück­lich für die Online-Nutzung konzi­pierte [2].

Tipp 2: Konti­nu­ier­liche Weiter­ent­wick­lung – die Online-Retro­spek­tive

Das Etablieren einer konstruk­tiven, wert­schät­zenden Kultur der Zusam­men­ar­beit entsteht in einem gemein­samen Lern­pro­zess. Es ist zwar sinn­voll, am Anfang initiale „Spiel­re­geln“ vorzu­geben, damit der Team­pro­zess starten kann. Mit der weiteren Entwick­lung des Teams sollten diese Regeln dann bedarfs­ge­recht adap­tiert werden. Im Sinne der agilen Zusam­men­ar­beit bieten uns die agilen Prin­zi­pien Orien­tie­rung dabei. Erst das gemein­same Erproben wird dazu führen, heraus­zu­finden, was in diesem Team und Kontext am besten passt.

Ein ganz wesent­li­ches Element des konti­nu­ier­li­chen Lern­pro­zesses in der agilen Zusam­men­ar­beit ist die „Retro­spek­tive“, also die Rück­schau auf die gemachten Erfah­rungen und die Ablei­tung von Verbes­se­rungs­maß­nahmen für die Zukunft. Der Wert der Retro­spek­tive ist im Rahmen des gemein­samen Lern- und Team­ent­wick­lungs­pro­zesses gar nicht hoch genug einzu­schätzen. Für die Durch­füh­rung der Retro­spek­tiven gibt es viele bewährte Formate, von denen sich viele auch online adap­tieren lassen.

Beliebt in unserem Kontext waren z.B. „Grüße aus der Itera­tion“, „Finde den Elefanten“ [3], „die Schachtel öffnen“ oder „KALM – Keep, Add, More, Less“ [4]. Unter [5] finden Sie weitere Hilfen für Online-Retros, unter [6] spezia­li­sierte Apps. Bitte vergessen Sie nicht, neben der inhalt­li­chen Arbeit ebenso die zwischen­mensch­liche Kompo­nente in die retro­spek­tive Betrach­tung einzu­be­ziehen.

Die Online-Retro­spek­tive für die virtu­elle agile Team­ar­beit braucht eine geeig­nete Visua­li­sie­rung, einer­seits zur Mode­ra­tion und ander­seits, um die Teil­neh­menden aktiv
einzu­be­ziehen. Als Tool eignet sich hierfür beispiel­weise ein virtu­elles White­board (siehe Tool­über­sicht [7]). Die Teil­neh­menden können aktiv eigene Themen einbringen und für das gesamte Team sichtbar machen. Die aktu­ellen Themen sind so jeder­zeit für alle sichtbar und es kann gemeinsam gesam­melt, struk­tu­riert, kommen­tiert und prio­ri­siert werden. Wenn das virtu­elle White­board perma­nent zur Verfü­gung steht, können die Themen auch schon im Vorfeld der Retro­spek­tive gesam­melt werden. So entsteht oft schon vor der eigent­li­chen Bespre­chung zur Retro­spek­tive wert­voller Austausch zwischen den Team­mit­glie­dern.

Tipp 3: Rituale, Formate und Platt­formen für die Online-Kolla­bo­ra­tion

Virtual Home

Wenn Indi­vi­duen im Rahmen einer Team­ar­beit zusam­men­finden und sukzes­sive eine gemein­same Team-Iden­tität (ein WIR-Gefühl) entsteht, kann sich das Poten­zial eines Teams entfalten. Das gemein­same WIR verbindet und moti­viert gleich­zeitig, sich für das gemein­sames Team­ziel zu enga­gieren. Alle Maßnahmen, die dieses Wir-Gefühl stärken, sind daher förder­lich für den Zusam­men­halt und die Qualität der Zusam­men­ar­beit.

In der physi­schen Realität empfehle ich daher, für Projekt­teams eigene Projekt­räume zur Verfü­gung zu stellen, in denen das Team sich sein eigenes „Zuhause“ einrichten kann. Hier sollte es ohne Hürden kommu­ni­zieren und sich so einrichten können, dass alle sich wohl­fühlen und ihre Krea­ti­vität und Leis­tung am besten entfalten können. Dazu gehören beispiels­weise die Raum­an­ord­nung, wich­tige Über­sichts­dia­gramme, Werk­zeuge, Modelle, Proto­typen, Deko­ra­tion usw. Warum also sollten wir das nicht auch in der virtu­ellen Welt tun? Auch online ist es möglich,dem Team ein gemein­sames virtu­elles Zuhause zu geben. Dazu bieten sich beispiels­weise zunächst einmal offen­sicht­lich die klas­si­schen Kolla­bo­ra­tions- Platt­formen an wie Googles G‑Suite, Micro­soft Teams, Slack, Yammer (siehe eben­falls [7]). Sollen jedoch neben den funk­tio­nalen auch opti­sche und atmo­sphä­ri­sche Aspekte eine Rolle spielen, so bieten sich 3‑D-Welten (z.B. [8] und [7]) an. Wie im physi­schen Raum können auch hier Struk­turen, Infor­ma­tionen, Medien und Design so gewählt werden, dass sie unsere Arbeit maximal unter­stützen und möglichst viel Freude machen.

Virtu­eller 3‑D-Team­raum, Bild­quelle: TriCat GmbH, Screen­shot von YouTube-Video

Auf den Punkt kommen – Online-Diskus­si­ons­for­mate

Gemein­same Meinungs­bil­dung und Entschei­dungs­fin­dung sind auch vor Ort nicht immer einfach, und im Virtu­ellen wird es keines­falls einfa­cher. Hier haben sich struk­tu­rierte Diskus­si­ons­for­mate bewährt, die einer­seits sicher­stellen, dass alle Betei­ligten gehört werden, und ande­rer­seits, dass die Diskus­sion durch eine geeig­nete Struktur in kurzer Zeit konkrete Ergeb­nisse liefert. Ein Format, das immer wieder guten Anklang findet, wenn es darum geht, aktu­elle Themen zu sammeln und mit Inter­es­sierten gemeinsam zu bear­beiten, ist das Lean Coffee Format [9]. Themen werden gemeinsam im Plenum gesam­melt. Dann werden Klein­gruppen gebildet, die sich jeweils ein Thema nehmen und für einen begrenzten Zeit­raum (z.B. 10 Minuten) das Thema bzw. die Frage­stel­lung bear­beiten. Bei Bedarf kann es weitere Runden geben oder ein Thema kann zur späteren Bear­bei­tung vorge­merkt werden. Mit etwas Übung ist es so möglich, in kurzer Zeit zahl­reiche Themen zu bespre­chen und die wert­vollsten „Nuggets“ zur weiteren Vertie­fung auszu­wählen.

Voraus­set­zung ist, dass die Video-Konfe­renz­platt­form die Option bietet, parallel in Klein­gruppen zu arbeiten („Brea­kout Sessions“) und anschlie­ßend die Ergeb­nisse im Plenum vorzu­stellen (z.B. MS Teams, Zoom, Big- BlueButton, GoTo­Trai­ning, siehe auch [7]). Weiterhin ist die Visua­li­sie­rung mittels eines virtu­ellen White­boards sehr hilf­reich. Eine reich­hal­tige Samm­lung wert­voller Formate, die wir gern online anwenden und sehr schätzen, finden Sie im Buch „Libe­ra­ting Struc­tures“ [10], z.B. „1–2‑4-All“, „TRIZ“ oder „25/10 Crowd Sourcing“.

Wie ist die Stim­mung im Team – Online-Umfrage

Gele­gent­lich ist es erfor­der­lich, im Team die Stim­mung zu erfragen. Einer­seits können Rück­mel­dungen im Rahmen eines Entschei­dungs­pro­zesses notwendig sein, ande­rer­seits kann es aber auch um Fragen gehen, die eher die emotio­nale Stim­mung betreffen. Die im nächsten Abschnitt beschrie­benen Verfahren zur Entschei­dungs­fin­dung sind eher für komple­xere Entschei­dungs­pro­zesse vorge­sehen. Für einfache, spon­tane Abfragen haben sich beispiels­weise Tools wie „Menti­meter“ und „Slido“ sehr bewährt. Mit ihnen kann sehr schnell eine Rück­mel­dung einge­holt werden, beispiels­weise zu der Frage „Was asso­zi­ieren Sie mit dem Begriff agile Zusam­men­ar­beit?“, deren Rück­mel­dung dann als Wort­wolke darge­stellt wird. Auch Prio­ri­sie­rungs­ab­fragen lassen sich sehr einfach und unkom­pli­ziert erstellen und durch­führen.

Wortwolke für Stimmungsumfrage

Team-Feed­back bzw. Asso­zia­tionen als Wort­wolke

Online gemeinsam Entschei­dungen treffen

Wenn es nicht um eine ergeb­nis­of­fene Diskus­sion geht, sondern wenn eine konkrete, verbind­liche Entschei­dung mit Konse­quenzen für die Betei­ligten kolle­gial und ohne Hier­ar­chie gemeinsam getroffen werden soll, dann steigt die Heraus­for­de­rung. Denn nun geht es darum, auch poten­zi­elle Inter­es­sens­kon­flikte online mitein­ander zu verhan­deln und eine von allen getra­gene Entschei­dung zu verein­baren. In Abhän­gig­keit von der Frage­stel­lung, der Anzahl der Betei­ligten und der Art der Einwand­be­hand­lung gibt es eine viel­fäl­tige Auswahl mögli­cher Entschei­dungs­ver­fahren, z.B. „Wider­stands­ab­frage“, „konsul­ta­tiver Fall­ent­scheid“, „sozio­kra­ti­scher Konsent“ oder „Entschei­dungsrat“. Eine gute Über­sicht inkl. Auswahl­kri­te­rien finden Sie als Grafik unter [11]. Eine ausführ­liche Beschrei­bung finden Sie in dem Buch „Agile Organisations­entwicklung“ [12] ab Seite 142. Um den Entschei­dungs­pro­zess und die Optionen, poten­zi­elle Argu­mente, Gewich­tungen und Abstim­mungs­er­geb­nisse für alle Betei­ligten trans­pa­rent zu machen, ist wiederum die Visua­li­sie­rung über ein virtu­elles White­board sehr unter­stüt­zend [13].

Tipp 4: Tech­ni­sche Voraus­set­zungen für gute Kommu­ni­ka­tion

Auf den Aspekt der tech­ni­schen Infra­struktur gehe ich hier ein, da es die Basis ist, auf der virtu­elle agile Team­ar­beit beruht. Hier möchte ich den Aspekt Technik aus einer anderen Perspek­tive betrachten. Die Qualität der Kolla­bo­ra­tion wird maßgeb­lich von der wahr­ge­nom­menen Qualität der Bezie­hung beein­flusst – wie bereits gesehen. Auf einem Bild­schirm, auf dem ich meine Gesprächs­partner ledig­lich in Brief­mar­ken­größe erkenne, sind Körper­sprache und damit die Meta­kom­mu­ni­ka­tion nur sehr bedingt erkennbar. Kommu­ni­ka­tion ohne erkenn­bares Feed­back ist nicht nur wenig moti­vie­rend, sondern verun­si­chert sogar, da die Reak­tion meines Gegen­übers auf das Gesagte fehlt. Auch fehlen mir die Impulse, um gege­be­nen­falls nach­zu­fragen, ob etwas miss­ver­standen wurde oder Vorbe­halte auftreten. Eine Teil­neh­merin beschrieb es einmal so: „Ich habe das Gefühl, in ein schwarzes Loch zu spre­chen – nichts kommt zurück. Das verun­si­chert mich enorm.“ Glei­ches gilt, wenn mein Gegen­über entweder aus Gründen der Band­breite bzw. des Schutzes der
Privat­sphäre auch noch die Kamera im Meeting ausschaltet.

Weitere Aspekte, die sich bewusst und unbe­wusst auf die wahr­ge­nom­mene
Qualität der Bezie­hung auswirken, sind:

  • Größe und Qualität der Abbil­dung des Gesichts der Teil­neh­menden,
  • gute Ausleuch­tung, um die Reak­tion des Gegen­übers erkennen zu können,
  • ein möglichst direkter Augen­kon­takt beim Spre­chen durch Fokus­sie­rung der Kamera sowie
  • gute Tonqua­lität durch ein hoch­wer­tiges Mikrofon.

Tipp 5: Indi­vi­du­elle Kompe­tenzen

Die im vorhe­rigen Absatz beschrie­bene Rele­vanz der tech­ni­schen Rahmen­be­din­gungen ist gleich­zeitig ein Hinweis darauf, wo häufig Schwie­rig­keiten auftreten. Ich meine damit nicht nur die zur Verfü­gung stehende Technik, sondern auch die Kompe­tenz, die Technik wirksam zu nutzen.

In inter­dis­zi­pli­nären, agilen Teams treffen oft Experten aus verschie­denen Fach­be­rei­chen mit unter­schied­li­chen IT-Vorkennt­nissen zusammen – eher tech­nik­af­fine Kollegen z.B. aus der Soft­ware­ent­wick­lung sowie solche aus Berei­chen, die eher fach­lich geprägt sind, daher also nicht täglich mit komplexen Appli­ka­tionen virtuell arbeiten. Wenn dann jedoch die Stan­dards im Team durch die „Nerds“ defi­niert und umge­setzt werden – was gern passiert, da sie sich ja sowieso damit auskennen –, entsteht leicht ein Gefälle im Team. Das wird aller­dings oft nicht sofort erkannt, da die Teil­neh­menden, die im IT-Umfeld nicht so versiert sind, sich eher zurück­halten werden und so ihr volles Poten­zial im Team nicht entfalten können. Inso­fern ist es sehr empfeh­lens­wert, im Team gemeinsam Schu­lungen zu den genutzten Platt­formen anzu­bieten und gege­be­nen­falls einen „Paten“ für die jewei­ligen Appli­ka­tionen zu benennen, der anderen Teil­neh­menden für Rück­fragen und zur Unter­stüt­zung zur Verfü­gung steht.

Fazit

In den von uns beglei­teten Teams bestanden viel­fach zunächst Vorbe­halte gegen­über der virtu­ellen Zusam­men­ar­beit, die sich nach ersten Schwie­rig­keiten und Pannen, sowohl im tech­ni­schen als auch zwischen­mensch­li­chen Bereich, zu bestä­tigen schienen. Die Leis­tungs­fä­hig­keit der Teams ließ in der Über­gangs­zeit zunächst nach. Regel­mä­ßige, konse­quente Retro­spek­tiven haben zu konti­nu­ier­li­chem Lern­erfolg und schnellen Verbes­se­rungen geführt. Die meisten virtu­ellen agilen Teams sind heute von der virtu­ellen Zusam­men­ar­beit begeis­tert und ihre Leis­tungs­fä­hig­keit hat sich erholt bzw. in einigen Fällen sogar deut­lich verbes­sert. Einer­seits fühlen sich die Team­mit­glieder in ihrer Zusam­men­ar­beit durch die virtu­ellen Tools unter­stützt und gleich­zeitig haben sie an Flexi­bi­lität gewonnen, da sie sowohl vor Ort als auch online zusam­men­ar­beiten können.

Der Autor: Elmar Sänger

Als Diplom-Infor­ma­tiker und Enthu­siast der Digi­ta­li­sie­rung führte, mich meine erste beruf­liche Station 1989 nach New York zur Deut­schen Luft­hansa AG, wo ich inno­va­tive Buchungs­sys­teme entwi­ckelte. Mein wach­sendes Inter­esse für virtu­elle Kolla­bo­ra­tion veran­lasste mich, 1991 nach Deutsch­land in das euro­päi­sche Netz­werk­for­schungs­zen­trum der IBM in Heidel­berg zu wech­seln. Neben den fach­li­chen Heraus­for­de­rungen entdeckte ich hier meine Freude an projekt­ori­en­tierter Team­ar­beit, verbunden mit dem bren­nenden Inter­esse heraus­zu­finden, welche Rahmen­be­din­gungen es Teams ermög­li­chen, ihr volles Poten­zial zu entfalten. Ab 1996 gestal­tete ich als Projekt­leiter den Aufbau der Online­ban­king-Platt­form des Deut­sche Bank Konzerns wesent­lich mit. Gleich­zeitig erwei­terte ich in vielen natio­nalen und inter­na­tio­nalen Projekten meine Fähig­keiten, Projekt­teams bei der Entfal­tung ihres vollen Poten­zials zu fördern.

2002 grün­dete ich die Sänger & Partner Unter­neh­mens­be­ra­tung. Seit nunmehr fast 20 Jahren unter­stützen wir Unternehmerinnen/Unternehmer und Führungs­kräfte dabei, ihren Projekt­teams das Umfeld zu ermög­li­chen, das moti­vierte, krea­tive und erfolg­reiche Projekt­ar­beit erst ermög­licht. Heute liegt mein Schwer­punkt in der Bera­tung und Beglei­tung von Unter­neh­me­rinnen und Unter­neh­mern, welche die Chancen der agilen Zusam­men­ar­beit und Selbst­or­ga­ni­sa­tion auf allen Ebenen des Unter­neh­mens erkannt haben und im Rahmen einer agilen Trans­for­ma­tion konse­quent umsetzen.

Verweise und Quel­len­an­gaben

Dieser Artikel ist ursprüng­lich mit dem Titel „So gelingt agile Zusam­men­ar­beit im virtu­ellen Raum“ im Buch Impulse für digi­tale Arbeits­welten, 2021 im Gabal Verlag erschienen.

[1] Tonhauser, P.: 66+1 Warm-up, die dich als Trainer unver­gess­lich machen. Books on Demand
[2] https://www.workshop-spiele.de/category/online-warm-ups/
[3] https://retromat.org/de
[4] https://agilescrumgroup.de/retrospektive-formen-mit-beispielen-und-ideen/
[5] https://www.scrummasterjournal.de/blog/remote-retrospektive/
[6] https://medium.com/@marco.comsysto
[7] https://saenger-projektmanagement.de/tools-zur-online-kollaboration-im-ueberblick/
[8] https://youtu.be/zia_hrzcZpQ
[9] https://so-geht-digital.de/leancoffee-wissensaustausch-leicht-gemacht/
[10] Lipma­no­wicz und McCand­less: The Surpri­sing Power of Libe­ra­ting Struc­tures: Simple Rules to Unleash A Culture of Inno­va­tion. Libe­ra­ting Struc­tures Press 2014
[11] „Über­sicht Entschei­dungs­werk­zeuge“. In: https://kollegiale-fuehrung.de/download-material/?download=99d951c49e283b8a3855c333f264387b
[12] B. Oeste­reich und C. Schröder: Agile Organisations­entwicklung: Hand­buch zum Aufbau anpas­sungs­fä­higer Orga­ni­sa­tionen. Vahlen 2019
[13] https://www.mural.co/templates/decision-sprint.

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