Agiles Projektmanagement
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Buch­re­zen­sion: Agiles Projekt­management von Dr. Tomas Gustavsson

Nun liegt es vor mir, das Buch „Agiles Projekt­management“ von Dr. Tomas Gustavsson (ISBN-13: ‎ 978–3949294044). Es wurde mir einer­seits wärms­tens von Kollegen empfohlen, gleich­zeitig wurde vom schwe­di­schen Projekt­forum als Projekt­buch des Jahres 2021 ausge­zeichnet. Inso­fern sind meine Erwar­tungen hoch und ich freue mich auf die Lektüre, denn als lang­jäh­riger Berater, Trainer und agiler Coach für das Thema agile Projekte und Orga­ni­sa­tionen, bin ich immer darin inter­es­siert, meinen eigenen Hori­zont zu erwei­tern und gleich­zeitig meinen Kunden wert­volle Bücher empfehlen zu können. Der Autor Dr. Tomas Gustavsson ist Dozent für Projekt­management an der Univer­sität in Karl­stad. Er ist zerti­fi­zierter Scrum Master und arbeitet seit 2002 mit agilen Methode

Der Inhalt

Der Autor beginnt sein Vorwort mit den Worten “Es ist nicht dieses Buch, dass Sie zum agilen Projekt­ma­nager machen wird“. Das macht mich einer­seits neugierig, denn wer beginnt schon sein Buch mit der Aussage, was das Buch “Agiles Projekt­management” nicht leistet und gleich­zeitig kann ich dieser Aussage voll­kommen zustimmen, denn agiles Projekt­management erlernt man erst in der Praxis. Glück­li­cher­weise verdeut­licht der Autor in den nächsten Zeilen, wen er mit dem Buch adres­siert und welchen Mehr­wert er zu bieten verspricht, nämlich durch Tipps, Tricks, Wissen und Übungen all jenen Unter­stüt­zung anzu­bieten, die den Mut und den Wunsch haben, die Projekte und Prozesse zu verän­dern, für die sie verant­wort­lich sind. Auch denje­nigen, die Inter­esse an der Philo­so­phie hinter der agilen Arbeits­weise haben, verspricht er eine solide Grund­lage.

Der schlichte türkise Papp­ein­band mit dem Titel „Agiles Projekt­management“ sowie der klas­si­schen Scrum-Darstel­lung, vermit­teln sofort den Eindruck eines Arbeits­buchs. Dieser Eindruck bestä­tigt sich, wenn man das Buch durch­blät­tert und am Ende jedes Kapi­tels einen Abschnitt mit Übungen findet, die dazu anregen, das Gele­sene zu reflek­tieren und zu vertiefen. In diesem Zusam­men­hang ist es wichtig zu erwähnen, dass es zu diesem Buch ein beglei­tendes Übungs­buch[1] ange­boten wird, das auf 236 Seiten viel­fäl­tige Übungen zu den unter­schied­lichsten Feldern des agilen Projekt­ma­nage­ments anbietet. Die Übungen richten sich einer­seits an den Leser des Haupt­bu­ches und dienen als Vertie­fung des Gele­senen und gleich­zeitig werden Übungen für Projekt­teams ange­boten, die ihnen helfen, ihre Arbeit zu reflek­tieren. Inso­fern ist das Übungs­buch eine sehr sinn­volle und wert­volle Ergän­zung zu dem Haupt­buch, wird in dieser Rezen­sion jedoch nicht weiter Gegen­stand der Betrach­tung sein.

Im ersten Kapitel erläu­tert der Autor die Grund­sätze und den Nutzen des agilen Projekt­ma­nage­ments sowie den Unter­schied zum klas­si­schen Projekt­management im Umgang mit den dem „magi­schen Dreieck“ Zeit, Kosten, Leis­tung.

Das Kapitel 2 „Die Geschichte der agilen Methoden“ stellt eben­diese dar, ange­fangen bei dem Ursprung des klas­si­schen Projekt­ma­nage­ments für sehr große — häufig mili­tä­ri­schen — Projekte mit vielen Ressourcen und vielen paral­lelen Akti­vi­täten, die möglichst schneller als der Gegner abge­schlossen werden sollen. Der Autor erläu­tert, warum dieser Ansatz im dama­ligen Kontext wert­voll war, jedoch in der heutigen Zeit schneller Verän­de­rungen und vieler klei­nerer Projekte mit kleinen Teams häufig nicht mehr der passende Ansatz ist. Die Ursprünge der agilen Methoden im Lean Manage­ment und dessen Kern­werten werden ebenso wie die Vorläufer der agilen Methoden bis hin zu den heute gängigen Methoden aufge­zeigt. Selbst­ver­ständ­lich fehlen auch das agile Mani­fest und die zwölf agilen Prin­zi­pien nicht.

Dieses zweite Kapitel erschien mir sehr wert­voll, denn es ordnet die Methoden ihrem jewei­ligen Kontext zu. Das ist eine gute Basis, um die häufig dogma­tisch geführte Diskus­sion, ob denn klas­si­sches oder agiles Projekt­management der rich­tige Ansatz sei, zu entschärfen. Es zeigt nämlich auf, dass jede Methode ihre Berech­ti­gung hat, wenn sie zum jewei­ligen Kontext des Projekts passt und die Entschei­dung sinn­vol­ler­weise vom Kontext abhängig gemacht wird. Unter welchen Rahmen­be­din­gungen welche Heran­ge­hens­weise sinn­voll ist, erläu­tert der Autor in Kapitel 8: „Wann sind agile Methoden geeignet?“.

In den weiteren Kapi­teln orien­tiert sich der Autor zuneh­mend an SCRUM. Und hierbei wird auch eine Schwäche des Buchs sichtbar. SCRUM als Methode wird in diesem Buch nie ausführ­lich einge­führt, ebenso wenig die weiteren Methoden (Kanban, SAFe, LESS, …), die ange­spro­chen werden. Das ist verständ­lich, denn es gibt genü­gend Lite­ratur zu den jewei­ligen Methoden, und eine Wieder­ho­lung wäre kein Mehr­wert. Gleich­zeitig erschließt sich der volle Nutzen des Buches nach meinem Ermessen erst jenen, die zumin­dest SCRUM nicht nur aus der Theorie, sondern auch aus der Praxis bereits kennen.

In Kapitel 3 „Rollen“ werden neben den klas­si­schen SCRUM-Rollen auch weitere Rollen und Gremien vorge­stellt, die einer­seits aus dem klas­si­schen Projekt­management bekannt sind, die aller­dings auch im agilen Kontext Mehr­wert stiften können, beispiels­weise der Lenkungs­aus­schuss, der Projekt­beirat, Lini­en­füh­rungs­kräfte sowie die Rolle und Zusam­men­ar­beit mit Liefe­ranten.

Im Kapitel 4 „Die Vorstudie“ bricht der Autor eine Lanze für die Durch­füh­rung von Vorstu­dien zur Vorab­klä­rung des Projekt­vor­ha­bens auch in agilen Projekten. Der Autor berichtet von seinen Erfah­rungen, dass Vorstu­dien häufig in agilen Projekten vernach­läs­sigt werden, gleich­zeitig jedoch eine wich­tige Funk­tion für die Ausrich­tung des Projekts und des Teams haben. Es werden Frage­stel­lungen und Vorgehen einer solchen Vorstudie aufge­zeigt.

Das 5. Kapitel „Die Planung“ ist mit 44 Seiten das umfang­reichste. Es widmet sich dem Umgang mit dem Thema Planung und dessen Heraus­for­de­rungen in agilen Projekten. Die Planung wird anhand prag­ma­ti­scher Projekt­bei­spiele erläu­tert. Auch hier verbindet der Autor Elemente der klas­si­schen Planung, bspw. das Product-Break-Down und einer Roadmap auf der lang­fris­tigen Planungs­ebene, mit agilen Planungs­ele­menten, wie bspw. den Release-Plan und dem Sprint-Plan. Die Elemente der agilen Planung werden einge­hend darge­stellt und anhand prak­ti­scher Beispielen und Übungen nach­voll­zogen.

Im Kapitel 6 „Die Durch­füh­rung“ stellt im Wesent­li­chen die Elemente des SCRUM-Vorge­hens kurz vor, geht hier aller­dings nicht in die Tiefe, was dem Anspruch eines Über­blicks zum Agilen Projekt­management gerecht wird. Aller­dings nicht genügt, um SCRUM tatsäch­lich umsetzen zu können. Glei­ches gilt für das Kanban-Vorgehen, das kurz darge­stellt wird. Bemer­kens­wert ist der Abschnitt zum „Laufendes Risi­ko­ma­nage­ment“ da auch hier wieder die Brücke zwischen Risk­ma­nage­ment in klas­si­schen Projekten wird und dem Umgangs mit Risiko in agilen Projekten geschlagen wird.

Kapitel 7 „Abschluss“ beschreibt verschie­dene Schritte und Vorge­hens­formen beim Abschluss agiler Projekte und Kapitel 8 „Wann sind agile Methoden geeignet?“ gibt schließ­lich Krite­rien und Entschei­dungs­hilfe bei der Auswahl des passenden Projekt­vor­ge­hens – sei es agiles oder klas­si­sche Projekt­vor­gehen.

Abge­rundet wird das Buch durch Kapitel 9 „Vorlagen und Check­listen“, die eben dieses enthalten, sowie Kapitel 10 „Projekt­ma­nager erzählen, in dem 4 Projekt­ma­na­ge­rInnen kurz zu Wort kommen und Ihre Erfah­rungen zu einzelnen Aspekten der Einfüh­rung und Nutzung des agiler Projekt­vor­ge­hens schil­dern.

Fazit

Insge­samt gibt das Buch “Agiles Projekt­management” auf 254 Seiten einen guten Über­blick über das Vorgehen in agilen Projekten. Den größten Nutzen werde sicher Projekt­ma­na­ge­rInnen haben, die bisher im klas­si­schen Projekt­management zuhause sind und ihre ersten Schritte in die Agilität wagen. Aller­dings ist das Buch sicher auch für „Agilsten“ wert­voll, die nicht davor zurück­schre­cken, auch auf die Erfah­rungen und Methoden des klas­si­schen Projekt­ma­nage­ments zurück­zu­greifen. Erfri­schend empfinde ich, dass der Autor nicht die häufig vertre­tenen Dogmen bedient, welches denn nun die rich­tige „Projekte­re­li­gion“ sei, sondern ganz­prag­ma­tisch die Elemente beider Welten zum Nutzen des Projekts verbindet. Als sehr wert­voll und erhel­lend empfand ich die Ergän­zungen durch das den beglei­tenden Übungs­buch

Autor der Rezen­sion

Elmar Sänger

Als Dipl. Infor­ma­tiker und Enthu­siast der Digi­ta­li­sie­rung, führte mich meine erste beruf­liche Station 1989 nach New York zur Deut­schen Luft­hansa AG, wo ich inno­va­tive Buchungs­sys­teme entwi­ckelte. Mein wach­sendes Inter­esse für virtu­elle Kolla­bo­ra­tion, veran­lasste mich 1991 nach Deutsch­land in das euro­päi­sche Netz­werk­for­schungs­zen­trum der IBM in Heidel­berg zu wech­seln. Neben den fach­li­chen Heraus­for­de­rungen entdeckte ich hier meine Freude an projekt­ori­en­tierter Team­ar­beit, verbunden mit dem bren­nenden Inter­esse, heraus­zu­finden, welche Rahmen­be­din­gungen es Teams ermög­li­chen, gemeinsam die best­mög­li­chen Ergeb­nisse zu erzielen. Ab 1996 gestal­tete ich als Projekt­leiter den Aufbau der Online-Banking Platt­form des Deut­sche Bank Konzerns wesent­lich mit. Gleich­zeitig erwei­terten vielen natio­nalen und inter­na­tio­nalen Projekten meine Fähig­keiten, Projekt­teams bei der Entfal­tung ihres vollen Poten­zials zu fördern. 2002 grün­dete ich die Sänger & Partner Unter­neh­mens­be­ra­tung. Seit nunmehr fast 20 Jahren unter­stützten wir Unter­neh­me­rInnen und Führungs­kräfte dabei, ihren Projekt­teams das Umfeld zu ermög­li­chen, das moti­vierte, krea­tive und erfolg­reiche Projekt­ar­beit erst ermög­licht. Heute liegt mein Schwer­punkt in der Bera­tung und Beglei­tung von Unter­neh­me­rInnen, welche die Chancen der agilen Zusam­men­ar­beit und Selbst­or­ga­ni­sa­tion auf allen Ebenen des Unter­neh­mens erkannt haben und im Rahmen einer agile Trans­for­ma­tion konse­quent umsetzen.

[1] Agiles Projekt­management: Übungs­buch, ISBN-13: ‎ 978–3949294075

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